Was ist Fairer Handel?
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Die Geschichte des Fairen Handels
Trotz der erst gut 30jährigen Geschichte des Fairen Handels in Deutschland, ist in diesen 3 Jahrzehnten viel geschehen.
Ausgangspunkt für die Bewegung Aktion Dritte Welt Handel waren
verschiedenen Initiativen, die in den Anfängen der 1970ger Jahre
die sogenannten Hungermärsche, als Kritik an der staatlichen
Entwicklungspolitik, organisierten.
Das Ziel der Aktion Dritte Welt Handel war die politische
Bewusstseinsbildung nach dem Modell „Lernen durch Handel“.
Als Vorbild fungierte hier die Stiftung SOS Wereldhandel in den
Niederlanden und so wurde die „Gesellschaft für Handel mit
der Dritten Welt“ gegründet, die später zur Gepa wurde.
Bereits laufende Verkaufsaktionen liefen erfolgreich und die ersten
Fair-Handels Geschäfte wurden Anfang der siebziger Jahre
eröffnet. Von Anfang an hatten diese Geschäfte den Anspruch,
nicht nur ihre Waren zu verkaufen, sondern darüber hinaus
Aufklärungs-, Informations- und Bildungsarbeit zu leisten, um eine
breite Öffentlichkeit aufmerksam zu machen.
Viele Läden entstanden aus kirchlich engagierten Gruppen. Jede
Ladengründung wurde von einer anderen Gruppe durchgeführt und
hat deshalb einen anderen, eigenen Hintergrund. Geeint wurden diese,
allesamt ehrenamtlich geführten, Läden von dem gemeinsamen
Ziel, den Handel in der Welt gerechter zu gestalten.
Durch die ehrenamtliche Organisation dauerte es einige Jahre, bis
geregelte Öffnungszeiten möglich waren. Der ersten Weltladen,
der dies umsetzen konnte, war der Weltladen in Stuttgart, der 1973
eröffnete.
Von diesem Laden aus wurde auch die Initiative gestartet, alle Gruppen,
die sich im Fairen Handel engagierten, unter einer
„Arbeitsgemeinschaft Weltläden“
zusammenzuschließen. Ziel war es, eine „Ladenkette“
zu gründen, um alle Läden auf eine gemeinsame Basis zu
stellen. Deshalb wurde angestrebt, bei der damaligen
„Gesellschaft für Handel mit der Dritten Welt“, bei
der Stiftung S.O.S Welthandel, der Aktion Dritte-Welt-Handel und bei
den beiden kirchlichen Hilfswerken, Gesellschafter zu werden. Dadurch
konnte man die Politik und Arbeit mitbestimmen und darüber hinaus
einen Sonderrabatt beim Wareneinkauf aushandeln.
Durch diese Schritte wuchs die Mitgliederzahl der „AG3WL“
rasch an, da dies für die Läden nun auch wirtschaftliche
Vorteile bot.
1975 wurde schließlich die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt
Läden (AG3WL) gegründet, die später in den
Weltladen-Dachverband überging.
Die erste wichtige und große Kampagne der AG3WL, mit
Unterstützung der Gepa, war die „Jute statt Plastik“ -
Aktion.
Jute wurde nun erstmals, statt als Rohstoff importiert zu werden, von
Frauen in Bangladesh selbst zu Tragetaschen verarbeitet. Die
Frauenkooperativen in Bangladesh wurden dadurch unterstützt und
die Aktion konnte gleichzeitig auf mehrere Missstände hinweisen.
Der hohe Energieaufwand und Umweltbelastung durch die Verwendung von
Wegwerfplastiktüten wurde deutlich und eine Alternative dazu war
die wiederverwendbare Tasche aus einem nachwachsenden Rohstoff, die als
„Nebeneffekt“ auch noch eine positive Auswirkung von
Verhaltensänderung im Konsumverhalten in den westlichen
Industrieländern für die Produzenten der Dritten Welt
deutlich machen konnte.
Durch den großen Erfolg der Aktion wurde die Jutetasche zum Symbol für eine Weltanschauung.
In den 80ger Jahren folgte als weiteres Produkt ein fair gehandelter
Kaffee aus Nicaragua. Allerdings schmeckte dieser erste fair gehandelte
Kaffee nach dem „Leid eines ganzen Kontinents“ und eher wie
ein „schreckliches Gebräu“. Seitdem wird bei fair
gehandelten Produkten darauf geachtet, wie diese schmecken.
1998 entstand der Weltladen-Dachverband, als Nachfolger der AG3WL und
Regionalkreissprechern der Weltläden, um die Zusammenarbeit unter
den Läden effektiver zu gestalten. Aus den anfangs sieben
Gründungsmitgliedern der AG3WL wurden bis Ende 2005 über 460
Mitglieder im Weltladen-Dachverband. Erforderlich wurde deshalb auch
eine zunehmende Professionalisierung, die auch durchgeführt wurde.
Im Gegensatz zu den Anfangszeiten, in der die Arbeit
ausschließlich in privaten Wohnzimmer erledigt wurde, besitzt der
Weltladen-Dachverband seit 1997 ein separates Büro als
Geschäftsstelle. Seit 2003 befindet sich dieses in Mainz, mit
ausreichenden Räumlichkeiten um Veranstaltungen und Treffen zu
ermöglichen.
Im Anschluss an die Einführung des Max-Haavelar-Siegels in
Holland, 1988, wurde in Deutschland ein ähnliches Siegel
angestrebt. So wurde 1992 die Siegelorganisation TransFair
gegründet, um den Fairen Handel auszuweiten.
1997 wurde FLO (Fairtrade Labelling Organizations International) von
weltweit 20 Siegelinitiativen gegründet, um gemeinsam Strategien
und Richtlinien für den Fairen Handel festzulegen. FLO ist auch
für die Kontrollen der Siegel zuständig und garantiert
dafür, dass alle gesiegelten Produkte weltweit, den
Siegelkriterien entsprechen.
Seit 2004 können Produkte in allen 20 Ländern, die FLO gründeten, an einem einheitlichen Siegel erkannt werden.
Mit dem Transfair-Siegel wurde es außerdem möglich, fair
gehandelte Produkte auch im Supermarkt als solche kenntlich zu machen.
Trotz Bedenken der Weltläden hinsichtlich der Einführung
fairer Produkte in Supermärkten wurde die Aktion
durchgeführt. Beide Vermarktungsschienen, Weltläden und
Supermärkte, bestehen seitdem nebeneinander und insbesondere der
Verkauf im Supermarkt hat dazu beigetragen, faire Produkte sowohl
bekannter zu machen als auch weiter zu verbreiten.
Im Laufe der Zeit wurde auch die internationale Zusammenarbeit der
Weltläden und ihrer Dachorganisationen immer wichtiger. So
entstand aus informellen Treffen 1994 NEWS! (Network of European World
Shops), in welchem der Weltladen-Dachverband von Anfang an Mitglied
war. Alle Mitglieder des deutschen Verbandes sind damit automatisch
Mitglied bei NEWS!.
Weitere internationale Organisationen sind die bereits angesprochene FLO, IFAT und EFTA.
Die IFAT (International Fair Trade Association) wurde bereits 1989
gegründet und ist damit Vorreiter der internationalen
Organisationen. Die Zusammenarbeit zwischen Produzenten und Importeuren
bildet den Schwerpunkt ihrer Arbeit. Durch den weltweiten
Zusammenschluss der Akteure des Fairen Handels, erreicht die IFAT auch
als internationale Lobbyorganisation zunehmend eine Bedeutung und
entwickelt sich immer mehr zur Dachorganisation für alle Ebenen
des Fairen Handels.
Die EFTA (European Fair Trade Association) wurde 1990 gegründet
und ist ein Zusammenschluss der größten europäischen
Importorganisationen. Der Arbeitsschwerpunkt ist hier der gegenseitige
Warenaustausch und die Zusammenarbeit mit den Produzenten.
1998 schlossen sich die Organisationen FLO, IFAT, NEWS! und EFTA unter
der Abkürzung FINE zusammen, um von einem gemeinsamen Büro
aus Lobbyarbeit für den Fairen Handel zu betreiben. Der
Höhepunkt der gemeinsamen Arbeit bisher war eine Konferenz im
Europäischen Parlament zu Fragen des Fairen Handels.
Der Faire Handel ist erst jetzt soweit, sich international zu
organisieren. Aus der Anfangszeit begründet, hat sich der Faire
Handel in jedem Land eigenständig entwickelt, es gibt deshalb
keine „gemeinsame europäische Geschichte des Fairen
Handels.“
Das Zusammenspiel von Handel und Bildung ist auch heute noch ein
Wesensmerkmal der Weltladenbewegung. Das Überleben der Menschen in
hilfsbedürftigen Ländern wird nicht mittels Spenden
gesichert, sondern durch den Verkauf ihrer Produkte zu fairen Preisen.
An Hand der Produkte können die Ungerechtigkeiten im Welthandel am
Beispiel deutlich gemacht werden und das Bewusstsein über die
Zusammenhänge zwischen Konsum und Produktion kann gebildet werden.
Inzwischen hat sich die Weltladenbewegung zur größten und
aktivsten entwicklungs- politischen Bewegung in Deutschland entwickelt.
Der anfängliche Begriff „alternativer Handel“ wurde
geprägt, um auf den Unterschied zum konventionellen Handel
aufmerksam zu machen.
Die Kritik war immer auf den unterdrückenden und ausbeutenden
Charakter des Welthandels gerichtet. Hier galt von Anfang an der
Anspruch, die Modellhaftigkeit des Fairen Handels auf die Strukturen
des Welthandels zu übertragen.
"Fair und Bio. Zur Bedeutsamkeit zweier kulturübergreifender Ökologiekonzepte"
Sigrid Hintermeier, Regensburg 2006